Aber sie gibt nicht klein bei, ganz im Gegenteil. Die 45-jährige gelernte Verwaltungs-Fachangestellte engagiert sich auf verschiedenen Ebenen für die Interessen Körperbehinderter. Sie kennt ihre
Rechte und fordert sie ein, selbstbewusst, beharrlich, wenn es sein muss auch streitbar. Sie hat schon vieles erreicht und noch einiges vor.
Dass die Gemeinde über eine barrierefreie öffentliche Toilette und einen rollstuhlgerechten Aufzug im Rathaus verfügt, ist Vorbergs Engagement zu verdanken.
Im Januar 2013 führte sie ein Gespräch mit Bürgermeister Reinhold Sczuka über die UN-Behindertenrechtskonvention und die Situation in Althütte. Ihr Anliegen: Der Sitzungssaal im ersten Stock des
Rathauses war für Menschen mit eingeschränkter Mobilität nicht zugänglich; somit war für sie eine Teilnahme an den öffentlichen Gemeinderatssitzungen unmöglich. „Als behinderter Mensch ist man
ausgeschlossen durch die Wahl der Räumlichkeiten“, sagt Vorberg. Es folgte eine Menge Überzeugungsarbeit („Ich habe nie locker gelassen“) und die Suche nach einem Aufzugmodell, das in das vorhandene
Treppenhaus eingepasst werden konnte. Im Dezember 2014 wurde schließlich der Aufzug, zusammen mit einer barrierefreien Toilette im Rathaus, eingeweiht. Einfacher gestaltete sich das Vorhaben, die
bereits rollstuhlgerechte Toilette in der Festhalle öffentlich zugänglich zu machen. Hier musste nur in der Außentür eine Schließanlage für sogenannte Euro-WC-Schlüssel eingebaut werden.
Ines Vorberg wuchs in Chemnitz auf und übersiedelte 1985 mit ihrer Mutter nach Esslingen. An einer Schule für Körperbehinderte machte sie 1989 ihren Realschulabschluss, daran schloss sich eine
Ausbildung zur Verwaltungs-Fachangestellten bei der Stadt Esslingen an. Nach jahrelanger selbständiger Tätigkeit und Wohnsitzen in Murrhardt, Mainz, Hamburg und Mannheim zog sie 2002 nach Althütte.
Dort lebt sie seit dem Tod ihres Lebensgefährten allein in einer barrierefreien, auf ihre körperlichen Voraussetzungen zugeschnittenen Wohnung und versorgt sich größtenteils selbst. Unterstützung
bekommt sie durch ihre Angehörigen am Ort und durch eine Putzhilfe. In ihrer Freizeit gestaltet sie Aquarell-Collagen, mit denen sie schon am vorweihnachtlichen Hobbykünstlermarkt der Gemeinde
teilgenommen hat. Seit 2009 bezieht sie eine Rente wegen Erwerbsminderung.
2010 gründete Vorberg eine Selbsthilfegruppe für Körperbehinderte, ein Angebot, das in Althütte bis dahin fehlte. Die rund 35 Mitglieder treffen sich zu Stammtischen und Ausflügen, organisieren
Vorträge, Workshops und Erste-Hilfe-Kurse und beraten Betroffene, etwa bei der Beantragung von Hilfsmitteln oder dem Umbau von Wohnungen. Die Gruppe wird von der Gemeinde und den Kirchen durch die
Überlassung von Veranstaltungsräumen unterstützt und ist inzwischen fest im Gemeindeleben etabliert. Sie arbeitet unter dem Dach des Bundesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderter BSK, einer
Interessenvertretung, in der Vorberg auf Landes- und Bundesebene aktiv ist.
Die Kämpferin in Sachen Barrierefreiheit hat weitere Betätigungsfelder ausgemacht: Auf der Buslinie zwischen Althütte und Backnang fahren zwar einige behindertengerechte Fahrzeuge, es gibt aber
keinen speziellen Fahrplan. Das heißt, ob ein Rollstuhlfahrer einen bestimmten Bus benützen kann oder nicht, ist schlicht Glückssache. Ein weiteres Manko: Es gibt im Rems-Murr-Kreis keine
Beratungsstelle, bei der sich Interessierte über barrierefreies Bauen informieren können. Diese Themen will Vorberg demnächst in der Aktionsgruppe Schwäbischer Wald im Rahmen des Projekts LEADER
einbringen, einem auf Bürgerbeteiligung basierenden Förderprogramm für den ländlichen Raum. „Es braucht jemanden, der das in die Hand nimmt“, sagt sie, und wer sie kennt, hegt keinen Zweifel daran,
dass die Missstände in absehbarer Zeit beseitigt werden.
Informationen über die BSK Selbsthilfe Körperbehinderter Althütte und Umgebung gibt es bei Ines Vorberg, Telefon 07183-428632 oder unter vorberg@lsk-bw.de.
7.3.2015
Annette Hohnerlein